Gottes Israel

(Frei nach David Asscherick, geschrieben von Anna Huda)

 

Wer ist wirklich das Israel Gottes? Ist das moderne Israel im Nahen Osten das Israel Gottes, für welches noch viele alttestamentliche Verheißungen in Erfüllung gehen sollen? 

Ein Bibelstudium soll diese Frage klären.

 

Die Vorgeschichte

Der erste Versuch: Im ersten Kapitel des ersten Buches Mose wird die Schöpfung des Menschen beschrieben. Adam wurde aus Erde nach dem Bilde Gottes geschaffen. Er sollte auf der Erde im Namen Gottes herrschen und den Schöpfer und Seinen untadeligen Charakter dort repräsentieren. Leider ist Adam gefallen. Es ist ihm nicht gelungen, ein würdiger Repräsentant Gottes zu werden.

Nachdem die Sünde einmal begangen wurde, kam es zu einem ständigen Abfall in moralischen Eigenschaften des Nachkommen Adams, so dass einige Generationen später die Menschheit bereits so korrumpiert war, dass Gott keinen anderen Ausgang sah, als mit den wenigen Treuen noch mal anzufangen (siehe 1Mo 6). Die Sintflut kam.

Bei näherer Betrachtung kann man zwischen der Schöpfung und der Sintflut einige Parallelen entdecken. Die Schöpfung wird gewissermaßen in der Sintflut wieder rückgängig gemacht:

In 1Mo 1,1f machte Gott "zwischen den Wassern" eine "Scheidung", die eine "Ausdehnung" (bzw. den "Himmel") bildete. Dann trennte er "das Wasser über der Ausdehnung von dem Wasser unter der Ausdehnung" (nach Schlachter).

In 1Mo 7,11f geschieht das Umgekehrte. Gott lässt die Quellen der großen Tiefe (Wasser unter der Ausdehnung) mit dem Wasser aus den Fenstern des Himmels (Wasser über der Ausdehnung) zusammentreffen und so die Erde überfluten. Es entsteht wieder eine große "Tiefe" (1Mo 1)! Doch Gott handelt weiter:

Während in der Schöpfung der Geist Gottes über dem Wasser schwebte (1Mo 1,2), macht Gott nach der Sintflut einen "Wind", der bewirkt, dass das Wasser zurücktritt (und die "zweite Schöpfung" erfolgen kann). 1Mo 8, 1: "Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war, und ließ Wind auf Erden kommen und die Wasser fielen." Das Wort für Wind in diesem Vers im Grundtext (hebr. ruach) ist dabei dasselbe Wort, das in der Bibel mit "Geist" übersetzt wird und im Schöpfungsbericht zu finden ist (siehe 1Mo 1,2)!

Der zweite Versuch: Da es Adam misslang, ein moralisch tadelloses Leben zu führen und Gott würdig zu repräsentieren, versuchte es Gott diesmal mit Noah. Er "installiert" die Erde neu und gibt diesmal Noah die Chance "Sein Mann" zu sein. 

Genau wie Adam im Garten Eden arbeitete, arbeitet Noah nach der Sintflut ebenfalls als "Bauer" (1Mo 9,29). Und ähnlich wie Adam das Essen einer Frucht zum Verhängnis wurde, so pflanzt Noah einen Weinberg und betrinkt sich mit dem Wein seiner Früchte (1Mo 9,20 ff). Damit scheitert der Plan Gottes zum zweiten Mal.

Der dritte Versuch: Gott musste erneut versuchen einen würdigen Repräsentanten zu finden, der treu nach seinen Gesetzen lebt und Seine Güte und Gerechtigkeit anderen Menschen vorlebt. In 1Mo 12ff werden wir fündig: Gott gebietet Abraham in das Land Kanaan zu ziehen und schließt mit ihm einen Bund. Abraham bleibt treu und zeugt Isaak. Isaak zeugt Jakob. Alle halten am Bund mit Gott fest, obgleich ihnen einiges an Fehlern unterläuft. Sehen wir uns Jakob etwas näher an.

Der Name Jakob bedeutet Betrüger, aber als Jakob nach einem harten Lebenswandel Gott vor dem gefährlichen Treffen mit Esau begegnet, erhält er einen neuen Namen (1Mo 32,25 ff). Im Kampf mit dem "Mann" Gottes soll Jakob seinen Namen verraten. Anders als noch vor vielen Jahren im Zelt seines Vaters, als Jakob sich für Esau ausgab, nennt er nun seinen wahren Namen: Ich heiße Jakob. Ich gebe zu, ich bin ein Betrüger. Ich brauche Vergebung. Ich brauche einen Erlöser! Ich lasse Dich nicht los!

Nach einem langen Kampf bekommt Jakob von Gott einen neuen Namen. Er soll von nun an "Israel" heißen. Israel bedeutet: "Der mit bzw. für Gott kämpft; der mit bzw. für Gott siegt."

Der Name Israel wurde also ursprünglich einem Menschen gegeben, der einen geistlichen Sieg erlangte. Der Name Israel wurde an die Nachkommen Jakobs weitergegeben und wurde damit der Name einer ganzen Nation.

In 2Mo 4,22 als Moses vor Pharao steht und den Auszug seines Volkes fordert, zitiert er Gott: "Israel ist mein erstgeborener Sohn; darum sage ich dir: Lass meinen Sohn ziehen…". Die Bezeichnung "erstgeborener" muss nicht unbedingt heißen, dass jemand als erster geboren wurde, sondern dass er der wichtigste ist (z. B. der erste Vertreter eines Firmenpräsidenten bedeutet nicht, dass er vor dem zweiten Vertreter geboren wurde, sondern, dass er in der Rangstellung höher platziert ist; ähnlich verhält es sich mit dem Begriff "First Lady" in USA). Israel – als der erstgeborene Sohn Gottes – ist demnach der Wichtigste. Man könnte auch sagen das Volk Gottes übernimmt die Aufgabe Gott zu repräsentieren!

Hat es genauso versagt wie seine Vorgänger? Sie haben an Gott festgehalten und sündigten nicht ständig. Wir müssen allerdings bedenken, dass eine einzige Sünde ausreicht, um den Menschen als den perfekten Repräsentanten Gottes zu disqualifizieren. Kann also die Nation Israel als ein Repräsentant Gottes bezeichnet werden?

Als Jesus gekommen ist, haben Israels Führer ihn abgelehnt. Sie haben ihm das Leben schwer gemacht, haben ihm hinterher spioniert, haben ihm Fallen gestellt, ihn versucht zu steinigen, seine Wunder in Frage gestellt, seine Lehre abgelehnt und ihn schließlich ans Kreuz nageln lassen.

Jesus selbst hat behauptet, dass der Messias abgelehnt wird. Als er im Gleichnis von den Weingärtnern (Mt 21,33 ff) die Juden fragte, was mit Menschen (einer Nation) passieren sollte, wenn sie Gott untreu werden, haben die Juden selbst gesagt, dass so ein Volk vernichtet werden solle. Jesus sagte in Vers 43: "Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch weggenommen und einem Volk gegeben, das dessen Früchte bringt…"

In seiner Klage über Jerusalem sagt Jesus symbolisch für die ganze Nation (Mt 23,38): "Siehe, euer Haus wird euch verwüstet gelassen werden.."  

Dreieinhalb Jahre nach dem Tod Jesu wurde die Missionsarbeit auf die Heiden ausgedehnt und somit der Nation Israel ihre Exklusivität weggenommen. 70 n. Chr. wurde schließlich Jerusalem zerstört. Israel hat – wie auch seine Vorgänger – versagt.

 

Die Erfüllung durch Israel

Und wer ist Israel heute? Hat Israel doch noch eine zweite Chance? Werden sich die alttestamentlichen Verheißungen doch noch für das heutige nationale Israel erfüllen? Wer ist Israel im Neuen Testament?

Wie bereits erwähnt, ist der Name Israel ursprünglich einem Menschen, der einen geistlichen Sieg erlangte, gegeben worden. Gibt es – außer Israel (Jakob) und Israel (dem Volk) – noch weitere Parallelen zwischen Israel (Jakob) und einen anderen Menschen, der einen geistlichen Sieg erlangte und als würdiger Repräsentant Gottes wirken konnte?

Im AT hatte ein Mann namens Joseph Träume. In Folge dieser Träume sind Israel (Jakob) und seine unmittelbaren Nachkommen nach Ägypten gekommen.

Im NT hatte auch ein Joseph Träume und ist mit Maria und dem Baby Jesus nach Ägypten gekommen. 

Im AT geht Israel nach einiger Zeit aus Ägypten heraus und überquert das Rote Meer. Für Paulus gleicht die Passage durch das Rote Meer einer Taufe: 1Kor 10,1-2: "Ich will euch aber, liebe Brüder, nicht in Unwissenheit darüber lassen, dass unsre Väter alle unter der Wolke gewesen und alle durchs Meer gegangen sind; und alle sind auf Mose getauft worden durch die Wolke und durch das Meer…"

Im NT verlässt Jesus Ägypten, wie Israel, und kommt als Erwachsener wieder in Erscheinung bei seiner Taufe! Mt 3,13-15: "Da kommt Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wehrte ihm und sprach: Ich habe es nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Laß es jetzt so geschehen; denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen! Da gab er ihm nach." Jesus beharrte darauf, getauft zu werden, damit die Gerechtigkeit erfüllt wurde.

Direkt nach der Taufe wird Jesus für 40 Tage in die Wüste geführt, genau wie die Israeliten, nachdem sie im Roten Meer "getauft" wurden, zum Berg Sinai kamen und dann für 40 Jahre in der Wüste umherwanderten. Und genau wie Gott Israel als den erstgeborenen Sohn bezeichnete (2Mo 4,22), spricht eine Stimme nach Jesu Taufe: "Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe."

Jesus scheint in seiner Mission die wichtigsten Ereignisse in der nationalen Geschichte Israels zu wiederholen. Warum? Weil er wusste, dass er der neue Repräsentant Gottes auf Erden ist, der neue "Israel". Die alten Vorhersagen mussten sich in bzw. an ihm erfüllen. Interessanterweise finden sich vor allem bei Mt viele Texte, die von "erfüllen" handeln (besonders in der englischen Ãœbersetzung: fulfill), z. B.: Mt 1, 21-25: "Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.  Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns. Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus."

Mt 2, 3-6: "Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1): »Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll."

In Mt 3,15 sagt Jesus bei der Taufe: "Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen."

Mt 4, 14-16: "damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 8,23; 9,1): »Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa, das Volk, das in der Finsternis wohnte, hat ein großes Licht gesehen, und denen, die im Land des Todesschattens wohnten, ist ein Licht aufgegangen«".

Mt 5,17: "Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen."

Mt 8,14-17: "Und Jesus kam in das Haus des Petrus und sah, dass dessen Schwiegermutter zu Bett lag und hatte das Fieber. Da ergriff er ihre Hand und das Fieber verließ sie. Und sie stand auf und diente ihm. Am Abend aber brachten sie viele Besessene zu ihm; und er trieb die Geister aus durch sein Wort und machte alle Kranken gesund, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 53,4): »Er hat unsre Schwachheit auf sich genommen, und unsre Krankheit hat er getragen.«"

Mt 13,35: "Das alles redete Jesus in Gleichnissen zu dem Volk, und ohne Gleichnisse redete er nichts zu ihnen, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Psalm 78,2): »Ich will meinen Mund auftun in Gleichnissen und will aussprechen, was verborgen war vom Anfang der Welt an.«"

Mt 21,1-4: "Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Bethphage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9)." Und so weiter, und so fort.

Matthäus scheint hier zufällige Ereignisse aus der Geschichte des Volkes Israel zu nehmen und behauptet, dass sie sich eins nach dem anderen alle in Jesus erfüllt haben!

Als Jesus in der Wüste vom Satan versucht wurde, verteidigt er sich jedes Mal mit Zitaten aus dem 5. Buch Mose. Das Interessante dabei ist, dass das 5. Buch Mose –"Das Buch des zweiten Gesetzes" – die nationale Geschichte Israels wiederholt. So lesen wir in Mt 4, 1-4: "Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.  Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« "

Genau dort, wo Adam, Noah, Israel… gefehlt hatten, hat sich Jesus klar und deutlich auf die Seite Gottes geschlagen und hat nicht gesündigt. Jesus zitiert aus dem 5. Buch Mose, in dem die Erfahrungen des Volkes Gottes in der Wüste geschildert werden: Essen ist nicht alles Satan, wir leben von Gottes Wort. Er erhält uns am Leben.

Satan machte einen zweiten Versuch: "Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«" (wie ihr ihn am Massa versucht habt). Jesus bezieht sich hierbei auf die Begebenheit am Massa und Meriba, wo das Volk sich über die schlechte Qualität des Wassers und damit die Führung Gottes beklagt hat (so ganz nebenbei gesagt – wir sind auch nicht besser, wenn wir uns in unserem persönlichen Leben auf einer Durststrecke befinden und Gott anklagen). 2Mo 17,7: "Da nannte er den Ort Massa und Meriba, weil die Israeliten dort gehadert und den HERRN versucht und gesagt hatten: Ist der HERR unter uns oder nicht?" Doch Jesus beklagt sich nicht, er bleibt treu, wo Israel versagt hatte.

"Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm."

Jesus scheint die Schritte aus der nationalen Geschichte des Volkes Israel zu wiederholen und bleibt Gott treu, dort wo Israel versagt hatte.

Viel von dem was Jesus tat wird im NT dadurch erklärt, dass es geschehen musste, damit das "Wort erfüllt wird". Es ist aber schwer konkrete Bibelstellen im AT zu finden, die sich auf den Messias beziehen und wo von diesen Dingen gesprochen wird. Wo steht etwa, dass der Messias getauft werden musste? Untersucht man jedoch die Geschichte "Israels" (von Adam über Noah zu Jakob und seinen Nachkommen), so sieht man wie Jesus alle Schlüsselereignisse wiederholt – ohne zu versagen.
 

In Lukas 4,14-19 lesen wir weiter: "Und Jesus kam in der Kraft des Geistes wieder nach Galiläa und die Kunde von ihm erscholl durch alle umliegenden Orte. Und er lehrte in ihren Synagogen und wurde von jedermann gepriesen. Und er kam nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge und stand auf und wollte lesen. Da wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht. Und als er das Buch auftat, fand er die Stelle, wo geschrieben steht (Jesaja 61,1-2): »Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.«"

Anscheinend hat Jesus bewusst nach einer bestimmten Bibelstelle in der ihm gereichten Rolle gesucht und sie gefunden. Er liest aus dem Buch Jesaja vor. Ab dem 41. Kapitel ist im Buch Jesaja vom Volke Israel, dem Diener Gottes, die Rede. Jesus scheint sich also hier bewusst auf diese Passage zu beziehen und sagt: Vers 21: "Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren." Jesus ist das "neue Israel", der Diener Gottes.

Die Verfasser des Neuen Testaments verkündigen die Botschaft, dass sich die alttestamentlichen Verheißungen in Jesus erfüllt haben!

2Kor 1,20: "denn alle Zusagen Gottes haben sich in ihm erfüllt. Und deshalb sprechen wir im Blick auf Christus und zur Ehre Gottes unser Amen."

1Kor 15,1-4: "Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt. Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift;"

Auf welche Passage aus der Schrift mag sich hier Paulus beziehen?  Es gibt zwei, die in Frage kommen und beide beziehen sich auf die Erfahrungen des Volkes Israel:

"»Kommt, wir wollen wieder zum HERRN; denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen, er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. Er macht uns lebendig nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor ihm leben werden." (Hos 6,1-2)

Dieser Text bezieht sich auf die syrische Gefangenschaft des Volkes Israel, passt aber hier genau zum Paulustext. Die andere Passage steht im Buch Jona. Jona verbrachte drei Tage im Bauch des Fisches und wurde am dritten befreit. Auch Jesus vergleicht seinen Tod und Auferstehung ebenfalls mit Erfahrung Jonas (Mt 12, 39f).

Matthäus, Paulus und Jesus entnehmen unterschiedliche Ereignisse aus der Geschichte Israels und setzen sie in Zusammenhang mit Jesus und seinem Wirken!

Warum machen sie das? Jesus ist das neue Israel. Jesus ist die Erfüllung der Verheißungen für Israel. Jesus ist der neue Repräsentant, der Gott würdig vertritt.

In Joh 5, 39 steht: "Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist's, die von mir zeugt;"

Luk 24, 25-27.32.44-46: "Und er sprach zu ihnen: O ihr Unverständigen, wie ist doch euer Herz träge, zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben! 26 Mußte nicht der Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? 27 Und er begann bei Mose und bei allen Propheten und legte ihnen in allen Schriften aus, was sich auf ihn bezieht… 32 "Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete? … 44 Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. 45 Da öffnete er ihnen das Verständnis, sodass sie die Schrift verstanden, 46 und sprach zu ihnen: So steht's geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage;"

Alle Verheißungen aus dem AT (Pentateuch, Propheten, Psalmen) haben sich in Jesus erfüllt. Die Schrift zeugt von dem Messias, dem neuen Israel, einem Menschen, der einen geistlichen Sieg erlangt hatte. Jesus glaubte das und die Verfasser des NTs glaubten das auch.

Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage:  Wer ist wirklich das Israel Gottes? Es ist Jesus, der in allen Dingen Gott treu blieb ohne zu Versagen. In ihm wurde alles erfüllt.

Manche behaupten nun, dass die alttestamentlichen Verheißungen sich in Jesus nur teilweise erfüllt haben – der Rest müsse sich noch im heutigen nationalen Israel erfüllt werden. Hier wird vergessen, dass der Name "Israel" von einem Menschen, der einen geistlichen Sieg errungen hatte, auf seine Nachkommen übergegangen ist. Wer sind die Nachkommen Jesu? Es können nicht leibliche Nachkommen sein, sondern nur seine geistlichen Erben! Wir haben also heute ein "geistliche Israel": Diejenigen, die durch ihren Glauben in das Volk Gottes "eingepfropft" wurden (Röm 11), also diejenigen, die Jesus vertrauen und ihm nachfolgen.

Genau wie der Name Israel vom Jakob auf seine Nachkommen übergegangen ist, so ist dieser Name noch einmal von Jesus an seine Nachfolger weiter gegeben worden.

Jeder Mensch hat jetzt eine Chance durch seinen Glauben zum "Volk Israel" zu gehören. Jesus sagt in Mt 3,9 :"Denkt nur nicht, dass ihr bei euch sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken." Gott interessieren nicht unsere Chromosomen, sondern unser Glaube und Treue. Dies war es stets, welches Menschen (unabhängig von ihrer Abstammung) zu Mitgliedern des Volkes Gottes machte...