Die Geistern im Gefängnis und die Predigt für die Toten (1Petr 3 & 4)

"In diesem [Geist] ist er [Jesus] auch hingegangen und hat den Geistern im Gefängnis gepredigt, die einst ungehorsam waren, als die Langmut Gottes in den Tagen Noahs abwartete, während die Arche gebaut wurde, in die wenige, das sind acht Seelen, durchs Wasser hindurch gerettet wurden." (1Petr 3,19-20)

"Das befremdet sie, dass ihr euch nicht mehr mit ihnen stürzt in dasselbe wüste, unordentliche Treiben, und sie lästern; aber sie werden Rechenschaft geben müssen dem, der bereit ist, zu richten die Lebenden und die Toten. Denn dazu ist auch den Toten das Evangelium verkündigt, dass sie zwar nach Menschenweise gerichtet werden im Fleisch, aber nach Gottes Weise das Leben haben im Geist." (1Petr 4,4-6)

 
Welche Behauptung wird auf Grund dieser Stellen aufgestellt? Christus soll nach seiner Kreuzigung den Geistern in der Hölle, d. h. den Toten, das Evangelium gepredigt haben. Dies besagt auch der zweite katholische Glaubensartikel: "…niedergefahren zur Hölle…". Auf diese Weise hatten die Verdammten in der Hölle, in der sogenannten "Vorhölle", noch Gelegenheit zur Bekehrung. Dass es keine "Vorhölle" gibt, glauben die meisten Christen, doch was ist mit dem Rest?
 

Zu den Geistern im Gefängnis (1Petr 3,19)

Christus hat sich während der gesamten Erdengeschichte um die Menschen bemüht. Petrus spricht in seinem Brief deutlich vom Wirken des Geistes Christi, der durch die Propheten in alttestamentlicher Zeit wirkte. Er schreibt:

"Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, die für euch bestimmt ist, und haben geforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist Christi deutete, der in ihnen war und zuvor bezeugt hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit danach." (1Petr 1,10-11)

Auch Paulus weist in Hebr 4,2 darauf hin, dass "Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten" (vgl. Lk 1,70). Und in 1Kor 10,4 schreibt er davon, wie Jesus die Menschen zur Zeit Mose leitete. Desgleichen heißt es hier im Petrusbrief "In ihm [dem Geist] ist er [Jesus] auch hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis, die einst ungehorsam waren, als Gott harrte und Geduld hatte zur Zeit Noahs...".

Das Wort pneumata bzw. im Singular pneuma bedeutet "Geist", "Wind", "Hauch" und "Atem". Die letzteren Bedeutungen sind typische Zeichen eines jeden lebendigen Wesens und können in der bildlichen Sprache, in der oft ein Teil für das Ganze steht, auch als Synonyme für eine Person verwendet werden.

In diesem Sinne wünscht Paulus z. B. in 2Tim 4,22 ("Der Herr sei mit deinem Geist!") nicht, dass Gott Timotheus lediglich auf der geistigen Ebene erreicht. Der Wunsch umfasst Timotheus als ganze Person. Ähnliche Schlüsse sind auch in 1Kor 16,18, Gal 6,18 oder Phil 4,23 denkbar. Daher übersetzt die Gute Nachricht auch z. B. den Text im Galaterbrief "Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist, liebe Brüder" auch einfach mit "... sei mit euch.". In einer Anmerkung heißt es dann: "Wahrscheinlich liegt eine hebräische Ausdrucksweise zugrunde, die mit 'Geist' den ganzen Menschen bezeichnet.".

In diesem Sinne lässt sich auch der Text aus 1Joh 4,1 verstehen: "Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind; denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgegangen." Die Geister, die wir prüfen sollen, sind nicht übersinnliche Erscheinungen, sondern Menschen, von denen einige falsche Propheten sind.

Auch heute sprechen wir noch von "großen Geistern" und von "Plagegeistern" und meinen damit keineswegs körperlose Erscheinungen, sondern bestimmte Menschen.

Es ist richtig, dass sich pneuma oft auf den Geist oder Verstand des Menschen bezieht, doch in Vers 19 im Petrusbrief kann von "ganzen" Menschen ausgegangen werden, was durch Vers 20 unterstütz wird:

"... die ["Geister" = Menschen] einst ungehorsam waren, als die Langmut Gottes in den Tagen Noahs abwartete, während die Arche gebaut wurde, in die wenige, das sind acht Seelen [= acht Menschen], durchs Wasser hindurch gerettet wurden."

Wenn einst die "Geister" Gott ungehorsam waren, meint dies, dass die ganzen Menschen damals ungehorsam waren – nicht nur ihr Denken oder ihr Sinn. Wenn Gott in Langmut abwartete, dann wartete er nicht auf die Bekehrung körperloser Geister, sondern auf den Menschen selbst. Es macht wenig Sinn, im Vers 19 nur von einem immateriellen Teil des Menschen auszugehen, obwohl in Vers 20 ganze Menschen gemeint sind.

Die Menschen oder "Geister", die vor der Sintflut lebten, waren geistig durch die Sünde gebunden, und wollten sich (bis auf acht Personen, acht "Seelen") nicht vom Geist Gottes führen lassen. Deshalb werden sie hier "Geister im Gefängnis" genannt. Gemeint ist das Gefängnis der Sünde und des Unglaubens. Petrus bezeichnet solche gefangenen Menschen auch als Knechte der Sünde oder des Verderbens (2Petr 2,19). So wie Christus, als er auf Erden war, den "Gefangenen die Freiheit" verkündigte und den "Gebundenen, dass ihnen geöffnet werde" (Jes 61,1.2; Lk 4,18.19), so hatte er durch seinen Geist versucht, die vorsintflutlichen Menschen aus dem Gefängnis der Sünde zu befreien.

Wie eingangs angemerkt, wirkte Gott bzw. Christus mit dem Geist durch die Propheten des ATs. Es liegt nahe, dass es in diesem Fall Noah war, der als "Sprachrohr" Gottes diente und den Menschen predigte. Er hat die Menschen vor der kommenden Sintflut in Geduld und mit großer Ausdauer gewarnt und wurde dafür verspottet. Der Geist, der Noahs Predigten inspirierte und durch ihn sprach, war der Geist Gottes, der Geist Christi. Durch den Geist Gottes predigte Christus durch Noah den "Geistern im Gefängnis".

Petrus weißt in seinem Wort auch die mögliche Anschuldigung zurück, dass die Menschen zu Zeit Noahs keine faire Chance gehabt hätten, gerettet zu werden. Dies ist falsch, denn auch ihnen wurde "durch den Geist gepredigt", durch Noah, den "Prediger der Gerechtigkeit" (2Petr 2,5), und dennoch haben sie Gottes Botschaft zurückgewiesen und ihre bösen Taten fortgesetzt.
 

Zu den Toten (1Petr 4,4-6)

Um welche Tote handelt es sich? Manche Ausleger glauben, es wären die Toten im Totenreich, denen Jesus nachträglich das Evangelium verkünden würde. Dieses widerspricht jedoch den klaren biblischen Aussagen, nach denen Menschen im Totenreich kein Bewusstsein haben (Pred 9,5.6.10; siehe oben) und nach denen die Erlösung schon im gegenwärtigen Leben angenommen werden muss, da die persönliche Bewährungszeit mit der Todesstunde abgeschlossen wird (Hebr 9,27; Offb 22,11.12; Lk 16,26-31 – die Kluft; siehe Erklärung dort!).

Darüber hinaus ist solch eine nachträgliche Evangeliumsverkündigung nicht nötig, da Gott stets durch die Väter und Propheten auf sein Volk eingewirkt hat (siehe oben) und auch die Heiden, laut Paulus, keine Entschuldigung dafür haben, dass sie Gottes Wirken nicht erkannt haben (vgl. Röm 1,18f).

Andere Ausleger meinen wiederum, dass es sich hier um die geistlich Toten handelt, die "tot in Sünde" sind (vgl. Mt 8,22; Eph 2,1-7; Kol 2,13). Dieses würde zu ihrem gottlosen Treiben passen, das in 1Petr 4,3 erwähnt wird. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass es sich um wirklich Tote handelt, da in den Versen 5 und 6 die Toten im Zusammenhang mit dem Gericht erwähnt werden. Um nicht in ein Widerspruch mit der Bibel als Ganzem zu geraten, bleibt nur eine Erklärung, die sich harmonisch mit allen anderen Aussagen zusammenfügen lässt: Die, welche "tot" waren, als Petrus den Brief schrieb, haben das Evangelium gehört, bevor sie starben. Den Toten ist das Evangelium verkündigt worden — nun sind sie tot.

Ergebnis: Die beiden Stellen im Petrusbrief widersprechen nicht den übrigen Aussagen der Bibel und zwingen auch nicht zur Annahme, dass Tote im Totenreich ein Bewusstsein hätten.

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