Das Volk ISRAEL im Lichte des Neuen Testamentes

von
Helmut Mayer

 

Einleitung

Die Augen der Welt richten sich auf die Ereignisse im Nahen Osten. Täglich berichten die Medien über Israel. Viele Christen glauben, es handle sich bei den Ereignissen in Palästina nicht so sehr um eine politische Auseinandersetzung handelt, sondern um eine endgeschichtliche Entwicklung. Sie sind überzeugt, der gegenwärtige jüdische Staat sei eine Erfüllung göttlicher Prophetie und die dort lebenden Israelis das Heilsvolk Gottes. Deshalb vertreten sie den Standpunkt: Wer gegen das nationale Israel kämpft, kämpft gegen Gott, denn der Staat Israel sei von Gott gewollt. Darum sei es legitim, die Palästinenser mit allen Mitteln zu bekämpfen. Diese Christen sind auch der Meinung, die Juden würden noch eine große Mission zu erfüllen haben.

Berechtigte Fragen:

Wir müssen uns fragen, ob diese Ansichten richtig sind, ob sie mit der Lehre Jesu und der Apostel übereinstimmen. Sind die Ereignisse im Nahen Osten eine Erfüllung neutestamentlicher Prophetie? Wo finden wir den Schlüssel zum richtigen Verständnis der Prophetie und des Volkes Gottes?

Illustration

Der bekannte Historiker Adolf von Harnack soll einmal seine Tante besucht haben. Sie erzählte ihm von einem Kaffekränzchen, an dem sie teilnehme und bei welchem die alten Damen den Propheten Hesekiel studieren würden. Auf die Frage ihres Onkels, ob sie denn auch alles verstünden, was sie bei Hesekiel lesen, antwortete die Tante in naiver Unschuld: „Nun, was wir nicht verstehen, das erklären wir uns eben“.

Die Frage ist, sollen und dürfen wir eigene Erklärungen und Deutungen vornehmen, oder müssen wir die Erklärungen und Auslegungen des Heiligen Geistes suchen und dem reformatorischen Prinzip folgen, welches besagt, daß die Bibel ihr eigener Ausleger ist.

I. Der Schlüssel zum Verständnis des Alten Testamentes und der Prophetie

1. Christus ist der zuverlässige Interpret

Die Schlüsselfrage ist: Durch welchen Geist haben die Propheten geweissagt? Der Apostel Petrus weist darauf hin, daß die Propheten durch den Geist Christi sprachen, der in ihnen war. 1. Ptr.1,10.11: „Schon die Propheten haben danach gesucht und geforscht, und sie haben vorausgesagt, wie reich Gott euch beschenken wird, wenn Christus kommt. In ihnen wirkte bereits der Geist Christi. Sie hatten auch schon erkannt, wann und auf welche Weise Christus leiden mußte. Und ebenso hatten sie seine Herrlichkeit vorausgesehen, die danach folgt“ (Hfa).

Christus ist der wahre und beste Ausleger der Prophetie. Ohne Christus gibt es kein richtiges Verständnis des göttlichen Wortes und der prophetischen Botschaften. Ohne ihn verstehen wir die Heilsgeschichte Gottes nicht. Der Schlüssel für die Einheit des alten und neuen Tes- tamentes ist nicht eine Zauberformel buchstäblicher oder bildhafter Auslegung, sondern die Person Christi. Jesus Christus ist der wahre Interpret und Erfüller der biblischen Prophetie. Jesus selbst hat dies nach seiner Auferstehung den Apostel bezeugt. In Lk. 24,25-27.44.45 lesen wir: „Darauf sagte Jesus zu ihnen: «Wie unverständig seid ihr doch! Warum begreift und glaubt ihr nicht, was die Propheten vorhergesagt haben? Mußte Christus nicht all dies erleiden, bevor Gott ihn zum Herrn über alles einsetzt?» Dann erklärte ihnen Jesus, was in der Heiligen Schrift über ihn gesagt wird - von den Büchern Mose angefangen bis zu den Propheten..... Erinnert euch daran», sagte er seinen Jüngern, «daß ich euch oft gesagt habe: 'Alles, was bei Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich steht, muß sich erfüllen.< Dann erklärte er ihnen, wie sie die Prophetenworte verstehen könnten.

Die Prophezeiungen müssen also in ihrer Beziehung zu Jesus Christus ausgelegt und verstanden werden. Das Alte Testament kann nur durch die christozentrische Methode richtig gelesen und verstanden werden. So hat es Jesus selbst getan. Ein Beispiel ist uns in Lk.4,16-21 gegeben: „Eines Tages kam Jesus wieder in seine Heimatstadt Nazareth. Am

Sabbat ging er wie gewohnt in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Heiligen Schrift vorzulesen, reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Jesus las: «Mit mir ist der Geist des Herrn, weil er mich gesalbt hat. Er hat mich beauftragt, den Armen die frohe Botschaft zu bringen. Den Gefangenen soll ich die Freiheit verkünden, den Blinden sagen, daßsie sehen werden, und den Unterdrückten, daß sie bald von jeder Gewalt befreit sein sollen. Jetzt erläßt Gott alle Schuld.» (Jesaja 61,1-2) Jesus schloß das Buch, gab es zurück und setzte sich. Alle warteten gespannt darauf, was er dazu sagen würde. Er begann: «Heute hat sich diese Voraussage des Propheten erfüllt.» (Hfa).

2. Christus ist der wahre Erfüller

Vom Heiligen Geist erleuchtet haben die Apostel die dem Abraham gegebene Verheißung (1.Mose 22,15-16) nicht in einer großen jüdischen Nation erfüllt gesehen. Für sie war Jesus die Person, in der sich diese Verheißung erfüllte. Gal.3:16 „Sehen wir uns die Zusagen Gottes an Abraham genauer an, dann stellen wir fest: Gott gab sein Versprechen Abraham und seinemNachkommen. Es heißt nicht: Abraham und seinen Nachkommen. Gottes Zusagen gelten demnach ganz eindeutig einem einzigen und nicht den vielen Nachkommen Abrahams. Dieser eine ist Christus“ (Hfa).

Paulus macht in diesen Worten deutlich, daß das eigentliche Endziel der Erwählung Israels die Erwählung Jesu zum Messias für alle Völker ist. Mögen die Juden durch den Talmud oder die Wunschvorstellungen des modernen Zionismus auf die Propheten blicken, ein Christ kann die Propheten und ihre Heilsbotschaften nur durch die Sendung Christi betrachten. Christus ist derjenige, der die Heilsgeschichte des alten Bundesvolkes vollendet. Der lückenlose Zusammenhang zwischen dem Alten und Neuen Testament wurzelt in der Identität, d.h. in der völligen Gleichheit von Jahwe, dem Bundesgott Israels und Jesus Christus; und sie gründet auch in der Erkenntnis, daß Israel Typos, d.h. Vorbild, für Gottes Volk im Neuen Bunde ist. Jesus selbst hat das typologische Denken eingeführt und erklärt, daß mit ihm die Zeit der Antitypen angebrochen sei, daß, daß er die Erfüllung der alttestamentlichen Vorbilder sei.

Jesus ist der Erfüller und Vollender in dreifacher Hinsicht:

a) von Personen

Jesus betont in Matth. 12,41.42, daß er die Erfüllung von Prophentum und Königsherrschaft sei. Er sagte: „Die Einwohner Ninives werden euch am Gerichtstag verurteilen, denn sie änderten sich. Nach Jonas Predigt wandten sie sich von ihrem sündigen Leben ab und bekehrten sich zu Gott. Der hier vor euch steht, ist aber größer als Jona. Und ihr glaubt ihm nicht! Die Königin aus dem Süden wird einmal beim Gericht Gottes als Zeugin gegen dieses Volk auftreten und es verurteilen. Denn sie kam von weit her, um von der Weisheit des Königs Salomo zu lernen. Der hier vor euch steht, ist größer als Salomo, aber ihr weigert euch dennoch, seinen Worten zu glauben.» Jesus ist der wahre Prophet und der König des Gottes Volkes.

Jesus ist aber auch der Erfüller und Vollender des aaronitischen und levitischen Priestertums. Der Hebräerbrief betont diese Tatsache mit folgenden Worten in Hebr. 7,21-24 „Nur zu Christus hat Gott gesagt: «Der Herr hat es geschworen, und diesen Schwur wird er niemals bereuen: 'Für immer und ewig sollst du Priester sein!'» (Psalm 110,4) So wurde Jesus für uns zum Bürgen eines neuen, besseren Bundes mit Gott. Zur Zeit des alten Bundes mußte es außerdem viele Priester geben, denn sie waren alle sterbliche Menschen. Christus aber lebt in alle Ewigkeit; sein Priesteramt wird nie von einem anderen eingenommen.“ (Hfa) Und in Hebr. 7,11.28 steht: „Das Priestertum der Leviten - über das im Gesetz klare Bestimmungen vorliegen - war offensichtlich nicht dazu imstande, uns die Vergebung Gottes zu vermitteln. Sonst hätte Gott doch nicht einen ganz anderen Priester vom Range Melchisedeks zu uns schicken müssen. Dann hätte auch ein Priester vom Range Aarons genügt.... Das Gesetz des Mose bestimmte Menschen mit all ihren Schwächen und Fehlern zu Hohenpriestern. Doch dieses Gesetz gilt nicht mehr, nachdem Gott seinen eigenen Sohn mit einem Schwur als unseren Hohenpriester einsetzte. Und das wird er bleiben - für alle Zeiten in göttlicher Vollkommenheit.“ (Hfa)

b) von Dingen – z.B. des Tempels und der Opfer –Als Jesus den Tempel von den Wechslern und Käufern reinigte fragten ihn die Schriftgelehrten empört nach seiner Vollmacht. Johannes berichtet darüber in Joh.2,18-21: „Die Führer der Juden stellten Jesus daraufhin zur Rede: «Woher nimmst du dir das Recht, die Leute hinauszuwerfen? Wenn du dich dabei auf Gott berufst, dann mußt du uns einen eindeutigen Beweis geben!» Jesus antwortete ihnen: «Diesen Beweis sollt ihr haben. Zerstört diesen Tempel! In drei Tagen werde ich ihn wieder aufbauen.» «Was?» riefen sie. «In sechsundvierzig Jahren ist dieser Tempel erbaut worden, und du willst das in drei Tagen schaffen?» Mit dem Tempel aber meinte Jesus seinen Leib, der geopfert werden sollte. Nach Mt.12,6 antwortete Jesus: „Ich will euch nur das eine sagen: Hier ist einer, der ist mehr als der Tempel.“ Jesus ist der Erfüller von Gottesdienst und Gottesopfenbarung. Der Tempel war einst die Stätte da Gott sich in besonderer Weise unter seinem Volke offenbarte. Doch mit dem Erscheinen Jesu hatte der Tempel seine Erfüllung gefunden. Jesus sagte: „Ich bin das Licht der Welt“ – Er ist der sieben armige Leuchter. Jesus sagte: „Ich bin das Brot des Lebens“ – er ist der Schaubrottisch. Sein Kreuz ist der Brandopferaltar, auf dem die vollkommene Sühne und Versöhnung stattfand.

Es gibt Juden und Christen, die warten auf den Tag, da in Jerusalem ein neuer Tempel des Herrn stehen wird. Doch die Erfüllung des Tempels und seine Vollendung ist in Jesus gekommen. Das neue Testament lenkt darum unseren Blick nicht auf das irdische Jerusalem, sondern auf den himmlischen Tempel, in den Jesus als unser großer Hoherpriester nach seiner Himmelfahrt eingegangen ist. Dies wird besonders im Hebräerbrief immer wieder betont. Hebr. 9,11: „Seit Christus da ist, gilt diese neue Ordnung. Er ist der Hohepriester über alles, was Gott uns verheißen hat. Seinen Dienst verrichtet er in einem Heiligtum, das größer und vollkommener ist als jedes andere, was je von Menschen betreten wurde. Denn diesesHeiligtum haben nicht Menschenhände errichtet, es gehört nicht zu dieser Welt.“ (Hfa)

Jesus ist auch der Erfüller und Vollender des Opferdienstes. Die Unvollkommenheit des alten Opfersysthems wird in Hebr. 10 deutlich beschrieben: „Das Gesetz des alten Bundes war lediglich ein matter Abglanz und Vorgeschmack all dessen, was Gott für uns bereithält. Es brachte uns noch nicht in eine enge Gemeinschaft mit Gott. Denn die Opfer der alten Ordnung konnten keinen Menschen für immer von seiner Schuld befreien. Jahr für Jahr mußte man erneut Opfer bringen....(4): Dabei ist es vollkommen unmöglich, daß wir durch das Blut von Stieren und Böcken von unserer Schuld befreit werden können“ Dann aber wird die herrliche Ablösung, und die Vollendung dieser unvollkommenen Opfer mit folgenden Worten beschrieben: (Hebr.10,9.10.14.19) „Das bedeutet: An die Stelle der alten Opfer setzt Christus sein eigenes Opfer. Er hat mit seinem Tod am Kreuz diesen Willen Gottes erfüllt; und deshalb sind wir durch sein Opfer ein für allemal von Gott angenommen. Für immer und ewig hat Christus mit dem einen Opfer alle Menschen, die Gott als seine Kinder annimmt, in eine vollkommene Gemeinschaft mit ihm gebracht. Und so, liebe Brüder, können wir jetzt durch das Sterben Jesu Christi, durch das Opfer seines Blutes frei und ungehindert in das Heiligtum eintreten und zu Gott selbst kommen.“ (Hfa).

 

c) von den Verheißungen des Bundes – Während des Abendmahls wies Jesus auf den neuen Bund hin, der durch sein Opfer zwischen Gott und den Menschen geschlossen werden sollte. Nach Mk 14,24.25 sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Das ist mein Blut, mit dem der neue Bund zwischen Gott und den Menschen besiegelt wird. Es wird zur Vergebung der Sünden vergossen. Ich sage euch: Von jetzt an werde ich keinen Wein mehr trinken, bis ich ihn wieder mit euch im Reich Gottes trinken werde.“ (Hfa)

Der auf Golgatha geschlossene Bund umfaßt nicht nur ein bestimmtes Volk, sondern alle Menschen. Dieser Bund schließt jeden ein, der das Opfer Jesu zu seiner Versöhnung und Errettung im Glauben beansprucht und annimmt. Das Ziel dieses Bundes ist nicht die Wiederherstellung der jüdischen Nation in Palästina, sondern die vollendete Gemeinschaft aller durch Christus mit Gott versöhnten Menschen im Reiche Gottes. Hebr. 9,15 bezeugt diese Tatsache: „So hat Christus den neuen Bund zwischen Gott und uns Menschen vermittelt: Er starb, damit die Sünden aufgehoben werden, die während des alten Bundes geschehen sind. Nun können alle, die dazu berufen sind, das von Gott zugesagte, unvergängliche Erbe empfangen, das ewige Leben bei Gott.“ (Hfa)

Das Erbe, das uns durch Christi Sühnopfer erworben wurde, ist nicht ein irdisches Erbteil im gelobten Land, sondern ewiges Leben in Gottes Reich. Es ist die Hoffnung auf ein ewiges, von keiner Sünde beschmutztes und unzerstörbares Erbe, das Gott in seinem Reich für uns bereithält (1.Ptr.1,4).

Nachdem wir erkannt haben, wie Jesus der einzige zuverlässige Interpret und Erfüller der alttestamentlichen Prophetie ist, wenden wir uns noch der Frage nach dem wahren Israel zu.

 

II. Das wahre Israel

1. Die theologische Bedeutung des Namens Israel

Der Name Israel tritt zum erstenmal in 1. Mose 32 auf. Dort wird vom Glaubensvater Jakob berichtet: „Mitten in der Nacht stand Jakob auf und überquerte den Jabbokfluß an einer seichten Stelle, zusammen mit seinen beiden Frauen, den beiden Mägden und den elf Kindern. Auch seinen Besitz brachte er auf die andere Seite. Nur er blieb noch allein zurück. Plötzlich stellte sich ihm ein Mann entgegen und kämpfte mit ihm bis zum Morgengrauen. Als der Mann merkte, daß er Jakob nicht besiegen konnte, gab er ihm einen so harten Schlag auf das Hüftgelenk, daß es ausgerenkt wurde. Dann bat er: «Laß mich los, der Morgen dämmert schon!» Aber Jakob erwiderte: «Ich lasse dich nicht eher los, bis du mich gesegnet

hast!» «Wie heißt du?» fragte der Mann. Als Jakob seinen Namen nannte, sagte der Mann: «Von jetzt an sollst du nicht mehr Jakob heißen. Du hast schon mit Gott und mit Menschen gekämpft und immer gesiegt. Darum heißt du von jetzt an Israel.»

Der Name kommt von Gott. Er hat symbolische Bedeutung. Dieser Name ist nicht mit Fleisch und Blut verbunden, sondern mit einem persönlichen Gotteserlebnis. Der Patriarch Jakob erhielt diesen Namen von Gott, als er wegen seiner Schuld mit Gott rang und sein wahres Wesen vor Gott offen bekannte. Als Gott ihn fragte, wie heißt du, da antwortete er: „Jakob“, d.h. ich bin ein Betrüger. Gott gab ihm einen neuen Namen, als Jakob sich allein auf Gottes Gnade verließ. Den Namen „Israel“ sollte Jakob tragen als eine Erinnerung und als ein Zeichen seiner neuen Gottesbeziehung. EGW schrieb: „Als Zeichen seiner Vergebung wurde sein Name, der ihn an seine alte Natur erinnerte, in einen neuen Namen zum Gedächtnis seines Glaubenssieges umgewandelt.“ (PP 198).

Nach Gottes Plan sollen alle Menschen ihre Schuld und ihr sündiges Wesen vor Gott bekennen und die geistliche Erfahrung der Vergebung und Erneuerung erleben. Christus spricht in seinen Briefen an die sieben Gemeinden einen Segen über die Überwinden aus und verheißt ihnen einen neuen Namen. In Off.3,12 steht geschrieben: „Denn wer durchhält und das Böse besiegt, den werde ich zu einer Säule im Tempel meines Gottes machen; er wird dort immer bleiben. Und er soll den Namen meines Gottes tragen und wird ein Bürger des neuen Jerusalem sein, der Stadt, die Gott selbst auf dieser Erde errichten wird. Auch meinen eigenen neuen Namen wird er erhalten.(Wörtlich: Ich werde auf ihn den Namen meines Gottes schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das herabkommt vom Himmel von meinem Gott.“ (Hfa)

2. Nicht jeder, der von Israel stammt, ist ein Israelit

Der Apostel Paulus schrieb in 1.Kor.10,18 von dem Israel nach dem Fleisch. Folglich muß es auch ein geistliches Israel geben. Um dies herauszufinden, müssen wir die biblische Antwort auf folgende Fragen suchen und bekommen.

a) Wer ist ein wahrer Israelit? Wer gehört zu Gottes Volk?

Paulus erklärt dies in Rö.9,6-8 mit klaren Worten: „All dies hat nach wie vor Gültigkeit, auch wenn nicht alle aus dem Volk Israel zu Gottes auserwähltem Volk gehören. Nicht alle Nachkommen Abrahams sind auch wirklich seine Kinder. Denn Gott hatte zu Abraham gesagt: «Nur die Nachkommen deines Sohnes Isaak sollen einmal zu deinem Volk gezählt werden.» (1.Mose 21,12) Das bedeutet: Nicht alle, die auf natürliche Weise von Abraham abstammen, gehören zu Gottes Volk, seinen Kindern. Nur der zählt dazu, wer - so wie Isaak - Gottes Verheißung hat.“ (Hfa).

Zum auserwählten Volke Gottes gehört man also nicht durch eine irdische Zeugung und Geburt, sondern durch eine geistliche Geburt, die aufgrund einer göttlichen Verheißung geschehen ist.

b) Wer ist nach Gottes Urteil ein Jude?

Rö.2,28,29 gibt eine aufschlußreiche Auskunft: „Die Abstammung von jüdischen Eltern und die Beschneidung lassen noch niemanden wirklich zum Juden werden. Ein richtiger Jude, das heißt jemand, der zum Volk Gottes gehört, ist man nur, wenn die Beschneidung mehr bedeutet als die Erfüllung toter Buchstaben. Erst die Beschneidung, die vom Heiligen Geist kommt und zu einem Gesinnungswandel führt, zählt vor Gott. Bei den Menschen bedeutet das vielleicht nicht viel, aber es ist das einzige, was bei Gott zählt. „ (Hfa)

Es ist aufschlußreich, daß diese Worte der einst auf seine jüdische Abstammung stolze Pharisäer Saulus von Tarsus schrieb. Diese Worte bezeugen ganz klar, daß die Mehrheit der jetzt in Israel lebenden Juden nicht Gottes Volk sind. Das echte Volk Gottes setzt sich nur aus Menschen zusammen, die durch den Heiligen Geist eine Herzensbeschneidung erlebt und einen Gesinnungswandel erfahren haben.

c) Wer gehört zum Israel Gottes?

Gal. 6,15,16 enthält eine klare Antwort: “Vor Gott ist es vollkommen gleichgültig, ob wir beschnitten oder unbeschnitten sind. Wichtig ist allein, daß wir in Christus neue Menschen geworden sind. Wer sich daran hält, der gehört zu Gottes auserwähltem Volk. Ihm schenkt Gott seinen Frieden und seine Barmherzigkeit.“ Vor Gott zählen nicht Äußerlichkeiten, wie rassische Abstammung oder nationale Zugehörigkeit. Vor Gott zählt allein, ob wir durch Christus wiedergeboren sind zu einer neuen Schöpfung.

d) Wer wird zur Nachkommenschaft Abrahams gezählt?

Juden und Araber berufen sich beide auf ihre Abstammung von Abraham und machen von daher ihren Anspruch auf das gelobte Land geltend. Paulus, der nach Rö.11,1 von sich sagen konnte: „Auch ich bin ja ein Israelit, ein Nachkomme Abrahams aus dem Stamm Benjamin.“, läßt uns nicht im Zweifel darüber, wer wirklich zur Nachkommenschaft Abrahams zählt. Er schrieb an die Christen in Galatien (Gal.3,26-29): „Denn durch den Glauben an Jesus Christus seid ihr nun alle zu Kindern Gottes geworden. Ihr gehört zu Christus, weil ihr auf seinen Namen getauft seid. Jetzt ist es nicht mehr wichtig, ob ihr Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen seid: in Christus seid ihr alle eins. Gehört ihr aber zu Christus, dann seid auch ihr Nachkommen Abrahams und habt Anspruch auf alles, was Gott ihm zugesagt hat.“(Hfa).

In Rö.4,13-16 vertieft Paulus diesen Gedanken. Er erklärt: „Gott hatte Abraham versprochen, ihn mit seinen Nachkommen zum Segen für die ganze Welt werden zu lassen. Aber dieses Versprechen gab Gott nicht, weil Abraham das Gesetz erfüllte, sondern weil Abraham Gott unerschütterlich vertraute. Deshalb gilt Gottes Zusage nur dem, der glaubt. Denn was Gottversprochen hatte, sollte ja ein Geschenk sein. Nur so bleibt die Verheißung überhaupt gültig, und zwar für alle Nachkommen Abrahams. Das sind nicht nur die Juden, die nach dem Gesetz leben, sondern auch alle anderen Menschen, die Gott so vertrauen wie Abraham. Deshalb ist Abraham der Vater aller Gläubigen.“ (Hfa)

Liebe Geschwister, aus zeitlichen Gründen kann ich diese biblische Studie jetzt nicht weiter ausführen. Wenn Ihr es für gut befindet, könnte ich in einer weiteren Predigt, noch auf andere Aspekte und Fragen eingehen. So gibt es z.B. unter evangelikalen Christen die Auffassung, der Heilsplan Gottes umfasse drei Körperschaften:

a) das Volk Gottes, die jüdische Nation

b) die Versammlung der Gläubigen – die Gemeinde Christi aus den Heiden

c) die Braut Christi, die Gläubigen, die vor der großen Trübsal entrückt werden.

Diese Ansicht allein wäre ein gründliches Bibelstudium wert.

Zum Schluß der heutigen Studie würde ich gerne von euch erfahren, was euch in dieser Predigt für euer persönliches Glaubensleben wichtig geworden ist. Vielleicht können wir unsere Gedanken dazu kurz austauschen.

Der HERR schenke uns die Gnade, bald mit dem ganzen Volk Gottes des alten und neuen Bundes für immer in Gottes Reich mit unserem Erlöser Jesus Christus für immer vereint zu sein.